Seit über 20 Jahren Büromieter bei der Stiftung PWG: Das Naturschutzbüro von Hansruedi Schudel

Hansruedi Schudel war mit seiner «Naturschutz und Artenförderung GmbH» eines der ersten Naturschutzbüros seiner Art in der Schweiz. Gegründet wurde es 1989. Inzwischen ist er seit über 20 Jahren Büromieter bei der Stiftung PWG. Wie sich das Unternehmen in Zürich um Glühwürmchen kümmert, was Lichtverschmutzung damit zu tun hat und wie der Steinkauz in die Nordwestschweiz zurückgekehrt ist.

Ein Fenster wirft spätabends einen Lichtquader in die Dunkelheit, eine Kugelleuchte erhellt Nachbars Garten – und schon finden Glühwürmchen hier keinen Lebensraum mehr. Die kleinen Käfer stehen exemplarisch für die Auswirkungen der Lichtverschmutzung – Lichtemissionen, die dafür sorgen, dass es nie völlig dunkel werden kann. «In der Stadt Zürich gibt es mehrere Glühwürmchen-Hotspots», erzählt Katrin Luder von der «Naturschutz und Artenförderung GmbH». Zur Paarungszeit der Leuchtkäfer geht sie auf Exkursion, um die Tiere zu zählen, und macht Führungen am Friesenberg, am Käferberg oder bei der Kreuzkirche in Hottingen. Mit etwas Glück sieht man ab Mitte Juni bis Mitte Juli das Leuchten der Tierchen. Doch die Insekten werden durch die Lichtverschmutzung an der Paarung gehindert, und die Larven gehen nicht mehr jagen, wenn es ihnen zu hell ist. Solche Dinge erzählt die 33-jährige Biologin auch den Teilnehmenden der Führungen oder an Standaktionen zum Thema. Diese Art der Öffentlichkeitsarbeit macht die «Naturschutz und Artenförderung GmbH» im Auftrag des Vereins «Natur liegt nahe». «Wie der Igel oder die Wildbienen ist das Glühwürmchen ein Sympathieträger», erklärt Luder. Es rufe bei den Leuten Erinnerungen an ihre Kindheit wach, als sie Glühwürmchen noch in Grosis Garten sahen. Und durch ihr Leuchten hätten die Tierchen etwas Magisches.

«In der Stadt Zürich gibt es mehrere Glühwürmchen-Hotspots.»

Doch Lichtverschmutzung betrifft längst nicht nur Lampyris noctiluca, den Grossen Leuchtkäfer, oder Lamprohiza splendidula, den Kleinen Leuchtkäfer. Igel bewegen sich langsamer, wenn es ringsum hell ist, was ihnen auf Strassen oft zum Verhängnis wird. Fledermäuse reagieren unterschiedlich auf die nächtliche Dauerbeleuchtung. Die Tiere nisten gerne in Kirchtürmen. Sind diese beleuchtet, fliegen sie nicht aus, weil es für sie Tag ist. Andere Fledermausarten nutzen das Licht, weil es ihre Beute anzieht. Gerade Nachtfalter und Käfer werden dadurch stark dezimiert. Auch Zugvögel werden durch das städtische Leuchten irritiert, da sie sich nachts an den Sternen orientieren. Darum geraten sie gerne in die Lichtglocken von Städten, den sogenannten Skyglow. Dort können sie sich regelrecht verirren und an Erschöpfung sterben. «Es gäbe noch viele weitere Beispiele, bis hin zu Fischen und Aalen, die durch das nächtliche Licht in ihrem natürlichen Verhalten beeinträchtigt werden», sagt Luder. Und letztlich störe die Lichtverschmutzung auch den Schlaf vieler Menschen. «Jedes Licht, das wir vermeiden, hilft.» Deshalb gibt sie an Standaktionen immer wieder nützliche Tipps. 

«Damals in den Neunzigern kamen die ersten Schutzverordnungen auf.»

Auch wenn solche Öffentlichkeitsarbeit wichtig ist für die Artenvielfalt und den Naturschutz, für das Team um Geschäftsinhaber Hansruedi Schudel macht sie nur einen kleineren Teil der Tätigkeiten aus. Im Büro an der Freyastrasse stapeln sich die Kisten mit wertvollem Saatgut aus dem Zürcher Unterland. Sie sind alphabetisch geordnet, und sehr empfindliche Samen werden im Kühlschrank aufbewahrt. Es ist etwas eng in den Räumen der «Naturschutz und Artenförderung GmbH». Schudel hat die GmbH 1989 als Einmannbetrieb unter dem Namen «Naturschutzbüro» gegründet. «Als die Stiftung PWG die Liegenschaft in den Nullerjahren gekauft hat, war ich bereits seit gut einem Jahrzehnt dort. Das Büro ist schnell gewachsen, denn es gab viel Bedarf, aber wenige Unternehmen, die diese Art von Arbeit machten.» Der engagierte Biologe hat quasi den besten Moment erwischt. Ende der Achtziger-, Anfang der Neunzigerjahre gewann der Naturschutz in der Schweiz an Bedeutung. «Damals in den Neunzigern kamen die ersten Schutzverordnungen auf», erinnert sich Schudel. Wir müssen die Natur jetzt schützen, habe es damals geheissen. «Doch bald wurde klar, dass der Schutz alleine nicht reicht. Man ging vom Schutz zur Förderung über und übernahm eine aktivere Rolle.» Zwar realisiert Schudels Unternehmen Aufwertungsprojekte in der Stadt, wie etwa im Grubenmoos in Oerlikon, wo eine ehemalige Fischzucht zu einem Refugium für die dort lebenden Glühwürmchen umgestaltet wurde. Doch die meisten Projekte liegen ausserhalb Zürichs und praktisch in der ganzen Schweiz. Das 13-köpfige Team gestaltet in oft aufwendiger Arbeit Lebensräume wie Ruderalflächen für seltene Schmetterlinge und Wildbienen, Weiher für den Glögglifrosch und den Kammmolch, Sandhügel für Uferschwalben und Eisvögel. Oftmals werden solche Gebiete über Jahre betreut und überwacht, um den Fortschritt zu dokumentieren. 

Der Steinkauz kehrt zurück

Wie viel Aufwand und Zeit Artenförderung brauchen kann, zeigt sich bei Hansruedi Schudels grösstem Erfolg und seinem Herzensprojekt: der Rückkehr des Steinkauzes in die Nordwestschweiz. In Südbaden und im Elsass gab es noch etwa 12 Brutpaare. Von hier aus sollten sich die Tiere, die ein Leben lang zusammenbleiben und kaum wandern, wieder ausbreiten. «Erst wenn eine Überpopulation erreicht ist, suchen sich die jungen Steinkäuze ein neues Revier», erklärt Schudel. Weil die Hochstammobstbäume genauso verschwanden wie die Insekten, fanden die Tiere weder Nistmöglichkeiten noch Nahrung. Also hängten Schudel und sein Team Nisthilfen auf, pflanzten neue Jungbäume, legten Magerwiesen an, die den Insekten als Nahrung dienten, und sorgten für Kleinstrukturen aus Totholz, Steinen, Kies und Sand. Das war 1999. «2023 kam das erste Brutpaar in die Nordwestschweiz. 2024 waren es bereits drei. Es brauchte also knapp 25 Jahre, bis die Tiere zurückkamen.» Und mit dem Steinkauz kehrten auch viele andere Arten zurück. Neben der Arbeit in der freien Natur hat Schudel viele Jahre die Öffentlichkeit an Standaktionen für den Naturschutz sensibilisiert. «Chunsch Vögel über» war eine seiner liebsten Aktionen. «Da haben wir Wildsträucher im Topf für heimische Vogelarten verschenkt. Die Leute konnten sie in ihren Garten pflanzen oder auf den Balkon stellen.» Heute trifft man Schudel an den Standaktionen nicht mehr an. «Ich bin ja eigentlich schon im Pensionsalter und mache vor allem Büroarbeit und Beratungen», sagt der 66-Jährige. Eines von Schudels aktuellen Projekten ist denn auch die Suche nach einer Übergabelösung für sein Naturschutzbüro. Doch auch wenn diese dereinst unter Dach und Fach ist, wird der umtriebige Naturschützer der Artenförderung noch lange treu bleiben.


naturschutzbuero.ch

Beteiligte:
  • Text
    Sabina Galbiati
    Text
  • Foto
    Mirjam Graf, Martina Meier
    Foto

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